8 Anzeichen, dass eine körperorientierte Psychotherapie für Dich geeignet sein könnte

Oft werde ich von InteressentInnen gefragt, woher sie wissen sollen, ob eine körperorientierte Psychotherapie etwas für sie wäre. Schließlich seien die gängigen und vor allem von gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Therapieformen alle Gesprächstherapien.

Körperorientierte oder somatische Psychotherapie ist eine Form der Psychotherapie, die den Körper und dessen Empfindungen aktiv in den therapeutischen Prozess einbezieht. Im Gegensatz zu traditionellen Gesprächspsychotherapien, die sich primär auf das verbale und kognitive Erleben konzentrieren, betrachtet die Körperpsychotherapie den Körper als einen integralen Teil des emotionalen und psychischen Erlebens. Beispiele für körperorienterte Methoden sind Somatic Experiencing, Hakomi, Focusing und Bioenergetik.

Die Körperorientierung beschränkt sich übrigens nicht nur auf die Psychotherapie, sondern kann auch in der Beratung und im Coaching eingesetzt werden. In diesem Text verwende ich zur Vereinfachung nur den Begriff „Therapie“.

Ich selbst arbeite sowohl mit körper- als auch mit gesprächsorientierten Methoden, meistens kombiniere ich alle, je nachdem, wo meine KlientInnen gerade stehen und was das Thema der Therapie oder der Beratung ist.

Ob eine körperorientierte Psychotherapie für Dich besser geeignet ist als eine Gesprächstherapie, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die mit Deinen persönlichen Bedürfnissen und Symptomen zu tun haben. Hier sind einige Anzeichen, die darauf hindeuten könnten, dass eine körperorientierte Therapie für Dich hilfreich sein kann:

Anzeichen 1: Du bemerkst starke körperliche Reaktionen auf emotionale Zustände

Wenn Du häufig körperliche Symptome wie Anspannung, Zittern, Atembeschwerden oder Ähnliches erlebst, die stark mit deinen emotionalen Zuständen (z. B. Angst, Stress, Traurigkeit) zusammenhängen, könnte eine körperorientierte Therapie sinnvoll sein. Und wenn Du bemerkst, dass Du es schwierig findest, diese Symptome zu regulieren.

Emotionen werden nicht nur im Gehirn erzeugt, sondern in einem Zusammenwirken aus Körper, Umwelt und Gehirn. Oft sind die Symptome körperlich spürbar, z. B. fühlst Du bei Angst vielleicht die Anspannung im Nacken und in den Schultern, bei Stress schlägt Dein Herz schnell…). Solange diese Symptome mit den Emotionen kurz auftreten und sich dann wieder legen, ist alles gut. Wenn die Symptome dauerhaft bleiben, kann es problematisch werden.

Körperorientierte Ansätze zielen darauf ab, die Verbindung zwischen Körper und Geist zu nutzen, um diese Symptome zu bearbeiten.

Anzeichen 2: Du hast Schwierigkeiten, Emotionen in Worte zu fassen

Wenn Du es schwierig findest, deine Gefühle verbal auszudrücken oder sie überhaupt zu erkennen, kann eine körperorientierte Therapie dir helfen, über den Körper Zugang zu deinen Emotionen zu finden.

Das Wort Emotion hat seinen Ursprung im lateinischen Begriff movere, der so viel bedeutet wie bewegen, erregen oder erschüttern. Und zwar auf körperlicher Ebene. Alle Emotionen haben eine körperliche Komponente – die „positiven“, wie auch die „negativen“. Denke zum Beispiel an ein richtig schönes Ereignis – was spürst Du im Körper? Dann an etwas Trauriges – was ist da jetzt? Und es ist so wichtig, seine Emotionen tatsächlich zu spüren, denn dahinter stecken immer Bedürfnisse.

Körpertherapie kann helfen, Gefühle zu lokalisieren und ihnen Raum zu geben, ohne dass du sie sofort benennen musst. Du lernst, sie zu erkennen, zu regulieren und mit ihnen umzugehen.

Anzeichen 3: Du hast traumatische Ereignisse erlebt

Wenn du traumatische Erlebnisse hattest, die Du vielleicht sogar körperlich empfunden hast oder die in deinem Körper „stecken geblieben“ sind (z. B. in Form von chronischen Verspannungen oder Panikattacken), kann eine körperorientierte Therapie helfen, diese Erlebnisse sicher zu verarbeiten.

Gerade bei Trauma fühlt es sich an, als sei kognitiv „alles in Ordnung“, doch der Körper spricht eine andere Sprache: Er reagiert scheinbar gestresst (oder ist sogar dauerhaft in diesem Zustand), ohne dass es im Außen einen Anlass dafür gibt.

Gerade körperorientierte Psychotherapie bietet Techniken, die das Nervensystem beruhigen und das Trauma auf einer körperlichen Ebene lösen können.

Anzeichen 4: Du kennst das Gefühl der „Dissoziation“ oder Entfremdung vom eigenen Körper

Wenn du oft das Gefühl hast, nicht wirklich „im Körper zu sein“ oder dich von deinem Körper entfremdet fühlst, könnte eine körperorientierte Therapie helfen, wieder einen tieferen Kontakt mit deinem Körper herzustellen.

Warum passiert das überhaupt – Dissoziation oder Entfremdung vom eigenen Körper? Oft hat dies auch mit Trauma zu tun. Dissoziation ist ein psychologischer Prozess, bei dem eine Person eine Trennung von ihren Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen oder eben von ihrem Körper erlebt. Es handelt sich um einen sinnvollen Schutzmechanismus, der es ermöglicht, mit traumatischen oder extrem stressigen Ereignissen umzugehen, indem es diese von seinem Bewusstsein abspaltet.

Dich wieder in guten und positiven Kontakt mit Deinem Körper zu bringen, Dich wieder zu „assoziieren“ und zu erden, dafür ist körperorienterte Therapie gut geeignet.

Anzeichen 5: Du hast Interesse an einer ganzheitlichen Herangehensweise

Du merkst vielleicht, dass „nur reden“ nicht reicht, weil Du in verschiedenen Gesprächstherapien nicht an den Kern Deines Problems herangekommen bist. Das war alles „ok“, aber Du weißt: Es fehlt noch was.

Vielleicht ist es dann gut, Deinen Heilungsprozess ganzheitlich anzugehen und nicht nur auf der mentalen Ebene. Eine körperorientierte Therapie könnte eventuell besser zu Deinem Weg passen. Sie integriert körperliche, emotionale und mentale Aspekte und fördert so eine umfassendere Heilung.

Anzeichen 6: Du hast körperliche Beschwerden, die nicht auf körperliche Ursachen zurückzuführen sind

Wenn du körperliche Symptome hast, für die es keine medizinische Erklärung gibt, könnte eine körperorientierte Therapie hilfreich sein, um psychosomatische Ursachen zu erkunden und zu behandeln.

Wichtig dabei ist allerdings: Du hast die Symptome und Beschwerden von einem Arzt abklären lassen. Das können zum Beispiel chronische Rückenschmerzen sein, Verspannungen, Herzrasen, Kopfschmerzen, Magenprobleme, Bauchschmerzen… Oft will uns der Körper mit solchen Symptomen etwas sagen. Und oftmals scheinen wir das zu wissen, verstehen die Sprache des Körpers aber nicht.

Mit körperorientierter Psychotherapie können TherapeutInnen und KlientInnen gemeinsam die Botschaften des Körpers entschlüssen und so zur Heilung beitragen.

Anzeichen 7: Du möchtest Zugang zu tiefen, unbewussten Mustern finden

Körperorientierte Therapien können Dir helfen, unbewusste Muster zu erkennen und zu verändern, indem du auf körperliche Empfindungen und Reaktionen achtest, die oft tiefere, nicht sofort zugängliche emotionale Inhalte widerspiegeln.

„Ich glaube, da liegt eine tiefere Blockade drunter“ höre ich manchmal von KlientInnen, die mit einem Anliegen zu mir kommen. Vielleicht findet der Satz bei Dir Resonanz? Gerade wenn Du schon im Gespräch und auf kognitiver Ebene versucht hast, ein Problem zu lösen, und Dich dann immer wieder scheinbar selbst mit dem alten Muster sabotierst, kann es sein, dass die Sprache des Körpers beim Lösen des Themas weiterhelfen kann.

Anzeichen 8: Für Dich sind körperliche Berührung und Bewegung wichtige Elemente einer Therapie

Wenn du das Gefühl hast, dass Berührung (im Rahmen der Therapie) oder Bewegung eine zentrale Rolle in deinem Heilungsprozess spielen könnten, dann kann eine körperorientierte Therapie, die diese Elemente einbezieht, passend sein.

Fast alle körperorientierte Psychotherapiemethoden verwenden Berührung und / oder Bewegung – immer sehr gezielt und immer in Absprache mit den KlientInnen.

Gerade Berührung kann dabei helfen, den Körper und das autonome Nervensystem zu regulieren und zur Ruhe zu kommen. Oft ist die Berührung auch „Hilfe zur Selbsthilfe“: Du lernst, wie Du Dich über Berührung selbst regulieren kannst. Mit Bewegung verhält es sich genauso.

Wenn du eines oder mehrere dieser Anzeichen bei dir erkennst, könnte es sich lohnen, eine körperorientierte Psychotherapie auszuprobieren oder zumindest mit einem Therapeuten darüber zu sprechen, ob dieser Ansatz für dich geeignet ist. Körperorientierte Therapien bieten oft einen anderen Zugang als Gesprächstherapien und können besonders hilfreich sein, wenn traditionelle verbale Ansätze für dich nicht ausreichen.

Weiterführende Informationen und Literaturtipps:

www.somatic-experiencing.de

www.hakomi.de

Grüber, Isa: Was der Körper zu sagen hat. Ganzheitlich gesund durch achtsames Spüren. Mankau, 2023

Kersig, Susanne: Im Dialog mit dem Körper. Kösel, 2014

Levine, Peter A., Sprache ohne Worte. Kösel, 2012

Marlock, G. und Weiss, H., Handbuch der Körperpsychotherapie. Schattauer, 2006

Maté, Gabor: Wenn der Körper nein sagt. Unimedica, 2020

Renn, Klaus: Dein Körper sagt Dir, wer Du werden kannst. Herder, 2017

Selvam, Raja: Verkörperte Gefühle: Guten Zugang zu seinen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen finden. Kösel, 2023.

Van der Kolk, Bessel: Das Trauma in dir: Wie der Körper den Schrecken festhält und wie wir heilen können. Ullstein, 2023