Das kennen wahrscheinlich viele Coaches, BeraterInnen und PsychotherapeutInnen: Kaum hat man die erste Ausbildung hinter sich, juckt es richtig in den Fingern und man würde am liebsten über sämtliche vermeintliche Klienten herfallen… Das kann dann auch gerne mal die eigene Familie sein: Probleme gibt es schließlich überall! Was so witzig klingt, kann für Familien sehr schwierig werden… so geschehen bei einem Klienten. „Grenzen ziehen“ heißen die Zauberworte, und zwar zwischen den Rollen im Beruf und im Privatleben.
Bei der Recherche zu diesem Blog-Post bin ich sogar auf den Fachbegriff bzw. das Konzept für die Fähigkeit zur Rollenabgrenzung gestoßen: „Boundary-Management“. Diese Grenzen gelten natürlich nicht nur für TherapeutInnen und Coaches, sondern für viele Berufsgruppen.
Als PsychotherapeutIn oder Coach ist es wichtig, auch im privaten Umfeld eine gesunde Balance zwischen der professionellen Rolle und der persönlichen Identität zu finden. Mir selbst hilft zum Beispiel auch der räumliche Abstand zwischen Praxis und Wohnung und die 20minütige Fahrradstrecke dazwischen.
Hier sind einige Ideen, wie Du Dich zu Hause neutral verhalten kannst, ohne Deine persönlichen Beziehungen oder Dein Wohlbefinden zu beeinträchtigen:
- Schaffe und bewahre Rollenklarheit
- Trennung von Arbeit und Privatleben: Mache Dir bewusst, dass Du im familiären und sozialen Umfeld keine therapeutische Rolle einnimmst. Deine Aufgabe als Therapeut endet, sobald Du Dein berufliches Umfeld verlässt.
- Kommunikation: Spreche mit Deinem Umfeld darüber, dass Du im privaten Kontext keine psychotherapeutische Unterstützung anbieten kannst, um Rollenkonflikte zu vermeiden. Andersherum ist es genauso wichtig, dass Dein Umfeld klar sagt, dass es Dir keinen Auftrag zur Therapie erteilt.
- Übe Achtsamkeit
- Selbstreflexion: Achte darauf, ob Du beginnst, Gespräche oder Dynamiken zu analysieren. Erinnere Dich daran, dass dies im privaten Raum nicht notwendig und auch nicht angebracht ist.
- Grenzen setzen: Wenn jemand in Deinem Umfeld versucht, Dich in die Rolle des Therapeuten zu drängen, erkläre freundlich, warum dies nicht angemessen ist.
- Wahre Neutralität in Beziehungen
- Offenheit und Zuhören: Bemühe Dich, in persönlichen Gesprächen aktiv zuzuhören, ohne zu bewerten oder zu analysieren. Das hilft, eine natürliche, menschliche Verbindung aufrechtzuerhalten – keine therapeutische.
- Empathie ohne Diagnose: Sei einfühlsam, ohne das Verhalten oder die Äußerungen anderer zu diagnostizieren oder gar zu pathologisieren.
- Praktiziere Selbstfürsorge
- Distanz zur Arbeit schaffen: Entwickle Rituale, um Dich nach der Arbeit mental, emotional und optimalerweise auch räumlich abzugrenzen (z. B. Meditation, Sport oder Hobbys).
- Therapeutische Supervision: Nutze Supervision oder Intervision, um Themen aus der Arbeit zu reflektieren und nicht ins Privatleben mitzunehmen.
- Lebe Deine Authentizität
- Privatperson bleiben: Erlaube Dir, zu Hause Du selbst zu sein, mit Deinen eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Meinungen. Die Therapeutin darf in der Praxis bleiben .
- Fehler zulassen: Als Mensch zu agieren und nicht ständig „neutral“ oder perfekt zu sein, hilft, authentische Beziehungen aufrechtzuerhalten.
- Setze Dein psychotherapeutisches Wissen bewusst (und sparsam) ein
- Nur wenn gefragt: Wenn Freunde oder Familie Dich um Rat bitten, kannst Du darauf hinweisen, dass Deine professionelle Perspektive in einem anderen Rahmen besser passt.
- Verantwortung abgeben: Unterstütze bei Bedarf dabei, geeignete professionelle Hilfe zu finden.