Warum „Reden allein nicht genügt“ – und wie Integral Somatic Psychology (ISP) emotionale Prozesse vertieft

Es gibt Sätze, die uns über viele Jahre begleiten. Für mich gehört dazu: „Reden reicht nicht.“
Dieser Satz beschreibt sehr gut, warum ich meine therapeutische Arbeit nach all den Jahren immer weiter in Richtung Körper vertiefe. Viele Menschen wissen sehr genau, was sie belastet – und dennoch verändert sich in ihrem Erleben wenig. Gespräche und Einsicht allein führen nicht zwangsläufig zu innerer Sicherheit oder neuen Handlungsoptionen. Denn: Der Körper ist oft der Ort, an dem Veränderung wirklich stattfinden kann.

Soeben habe ich meine einjährige Ausbildung in Integral Somatic Psychology (ISP) bei Dr. Raja Selvam abgeschlossen. Nachdem ich 2024 sein Buch The Practice of Embodying Emotions / Verkörperte Gefühle gelesen hatte, war ich zutiefst beeindruckt und wusste, dass  eben dieser spezifische Ansatz ein „missing link“ in meiner Arbeit ist – plötzlich wurde mir noch klarer, weshalb gerade die Kombination aus CANTIENICA® Körper in Evolution und Psychotherapie so wirksam ist. Diese Weiterbildung hat meine therapeutische Arbeit spürbar bereichert und vertieft. Als ISP Practitioner integriere ich diesen Ansatz nun auch offiziell in meine Begleitungen und Therapien.

Was ist Integral Somatic Psychology?

Integral Somatic Psychology ist ein körperorientierter Ansatz, der moderne neurobiologische Erkenntnisse, westliche Psychologie und verschiedene Körpertraditionen miteinander verbindet. ISP baut auf Somatic Experiencing® (SE) auf, geht aber deutlich darüber hinaus – wir arbeiten intensiv mit Emotionen, wollen sie nicht nur „herunterregulieren“ (was natürlich auch sehr wichtig und sinnvoll ist), sondern lernen, dass wir mit ihnen aktiv umgehen können
Hier die wichtigsten theoretischen Grundlagen:

1. Emotionen sind körperliche Prozesse

Emotionen sind nicht nur psychische Phänomene, sondern physiologische Zustände, die sich im Körper ausdrücken – über Muskeln, Organe, Atmung, Temperatur, Spannung und viele weitere Systeme. Je mehr der Körper in der Lage ist, diese Empfindungen zu halten, desto vollständiger kann ein emotionaler Prozess auch kognitiv erlebt und integriert werden. Und je integrierter die Emotionen im Körper sind, desto klarer wird unser Denken und unser Erleben.
Die zentrale Frage von ISP lautet: Wie kann der Körper mehr Kapazität entwickeln, Emotionen zu regulieren und zu verarbeiten?

2. Das „Embodiment Level“ bestimmt die Intensität und Integration von Emotionen

Raja Selvam beschreibt, dass Emotionen in unterschiedlichen Graden verkörpert sind:

  • niedriges Embodiment:
    Emotion wird kognitiv verstanden, aber kaum gespürt. Oft begleitet von Anspannung, Abspaltung oder innerem „Nichts“.

  • mittleres Embodiment:
    Emotion wird teilweise im Körper wahrgenommen, aber nur in bestimmten Regionen (z. B. Brust, Bauch).

  • hohes Embodiment:
    Emotion breitet sich über größere Bereiche oder den ganzen Körper aus und kann reguliert, gehalten und integriert werden.

ISP unterstützt dabei, das Embodiment-Level schrittweise zu erweitern, ohne Überwältigung, im eigenen Tempo.

3. Die Regulation entsteht durch Ausweitung, nicht durch Verringerung

Ein wichtiger Ansatzpunkt von ISP: Emotionen werden nicht reguliert, indem man sie herunterfährt – sondern indem man die Fähigkeit des Körpers erweitert, sie zu halten. Das ist ein Paradigmenwechsel gegenüber vielen klassischen Ansätzen.
Die Ausweitung erfolgt gezielt über:

  • spezifische Körperbereiche

  • Organsysteme (z. B. Herzraum, Bauchraum, Atemsystem)

  • Spannungs- und Haltungsarbeit

  • Wahrnehmung von Mikroempfindungen

  • feine somatische Interventionen

Mehr Kapazität führt zu:

  • weniger Überwältigung

  • mehr Kohärenz

  • tieferer Integration

  • mehr Klarheit im Denken und Handeln
4. ISP integriert unterschiedliche Körpersysteme

Emotionen werden in ISP nicht nur über Muskeln oder Atmung betrachtet. Raja Selvam arbeitet mit drei großen Systemen gleichzeitig:

a) Das muskuläre System: Spannung, Haltung, Bewegungsimpulse – oft der Ort von Schutz- und Abwehrmustern.

b) Das viszerale System (Organe): Sehr eng verbunden mit Emotionen wie Angst (Bauch), Trauer (Brustraum) oder Wut (Zwerchfell, Unterbauch).

c) Das energetische / subtile System: Hier fließen Konzepte ein, die aus körperorientierten Traditionen wie Yoga oder TCM bekannt sind. Nicht esoterisch, sondern präzise somatische Wahrnehmung feiner Energie- und Spannungsmuster.

Emotionen werden „vollständiger“, wenn mehrere Systeme beteiligt sind.

5. Die Rolle des Nervensystems

ISP basiert auf Prinzipien der modernen Traumatheorie:

  • Regulation von Hyper- und Hypoarousal

  • Pendeln zwischen Ressourcen und Herausforderung

  • Tracking von Mikroempfindungen

  • Unterstützung der Vagus-Aktivität

Es verbindet diese Aspekte jedoch mit dem Ziel, die emotionale Kapazität des Nervensystems zu vergrößern, statt Erregung nur zu senken.

Warum das für meine Arbeit wichtig ist

Viele Menschen kommen in Therapie, vor allem auch in eine körperorientierte Therapie weil sie das Gefühl haben, festzustecken. Weil lange Gesprächstherapien zwar geholfen haben, aber der Kern des Problems immer noch da ist. Mit ISP erlebe ich häufig:

  • dass Menschen feiner wahrnehmen, was in ihnen geschieht

  • dass emotionale Prozesse ruhiger und nachhaltiger werden

  • dass innere Sicherheit nicht erdacht, sondern gefühlt wird

  • dass neue Muster sich im Körper verankern, nicht nur im Kopf

Für meine Klient:innen kann das bedeuten:
✨ feinere Selbstwahrnehmung
✨ mehr innere Sicherheit
✨ nachhaltigere Veränderungen

Diese Veränderungen sind oft leise – aber tiefgreifend und sehr nachhaltig.

Für wen ist Integral Somatic Psychology hilfreich?

ISP kann Menschen unterstützen, die merken, dass sie emotional feststecken oder innerlich schnell an ihre Grenzen kommen. Besonders hilfreich ist dieser Ansatz bei:

  • Schwierigkeiten, Gefühle zu spüren oder einzuordnen

  • Überwältigung durch intensive Emotionen

  • anhaltender innerer Anspannung oder Unruhe

  • Erschöpfung oder emotionalem Rückzug

  • hoher Sensibilität und einem schnell überreizten Nervensystem

  • Belastungs- oder Veränderungsphasen

  • der Verarbeitung schwieriger oder verletzender Erfahrungen

ISP ist ein sanfter und präziser Weg, emotionale Prozesse im Körper besser halten und regulieren zu können.
Wenn du neugierig geworden bist oder wissen möchtest, ob dieser Ansatz für dich hilfreich sein könnte, findest du auf meiner Website weitere Informationen zu meiner Arbeit und meinen Angeboten:
➡️ www.anja-pusch.de

Weiterführende Informationen zu ISP

Wenn du mehr über ISP erfahren möchtest:
➡️ www.integralsomaticpsychology.com

Das Buch von Raja Selvam:
➡️ https://amzn.eu/d/1QqMSd4

Datenschutz-Übersicht

Diese Website verwendet Cookies, damit wir dir die bestmögliche Benutzererfahrung bieten können. Cookie-Informationen werden in deinem Browser gespeichert und führen Funktionen aus, wie das Wiedererkennen von dir, wenn du auf unsere Website zurückkehrst, und hilft unserem Team zu verstehen, welche Abschnitte der Website für dich am interessantesten und nützlichsten sind.